Reden

Ein Beitrag von Tim Niedernolte

Das »R« steht für #Respekt

Ich liebe sie, unsere Sprache! Miteinanderen kommunizieren zu können, ins Gespräch kommen, »reden, präsentieren, begeistern« – was für ein Privileg. Und welch´ ein Potenzial. Nicht umsonst hat der brillante Physiker Stephen Hawing es einmal so formuliert: »Die größten menschlichen Errungenschaften sind durch Kommunikation zustande gekommen – die schlimmsten Fehler, weil nicht miteinander geredet wurde.«

Worte haben Macht
Und wir alle haben es in der Hand, oder besser: auf der Zunge und im Herzen, was wir aus diesem Wissen machen. Sei es auf großer Bühne oder unter vier Augen, beruflich oder privat, beim Präsentieren oder Palavern. Überall gilt: Worte haben Macht, viel Macht. Sie heilen, trösten und lieben. Verbinden und verzeihen. Wörter lassen Neues entstehen und können Dinge erschaffen.

Doch genauso – und oft noch schlimmer – können sie verletzten und entzweien, zerstören und töten. Es sind eben nicht nur Worte, die über unseren Mund unser Herz verlassen, sondern leider auch Waffen mit hohem Verletzungspotenzial. Nicht von Ungefähr spricht der Medienwissenschaftler Professor Bernard Pörksen in seinem Buch »Die große Gereiztheit« von einem »kommunikativen Klimawandel«, einer »Stimmung aus Verunsicherung, aus Aufgewühltheit und plötzlich hervorbrechender Wut«. Aktuelle Beispiele dafür gibt es viele. Ich plädiere deshalb für mehr Respekt in der Sprache, sowohl beim Präsentieren als auch beim Diskutieren. Und ganz besonders dort, wo unterschiedliche Meinungen aufeinander treffen.

Halb voll oder halb leer – das ist die Frage
Doch wie kann das gelingen? Für einen ersten hilfreichen Tipp lohnt ein kurzer Stopp bei der Kommunikationswissenschaft und dem Phänomen des »framing«, von englisch »frame« kommend, also Rahmen. Darunter versteht man, dass die Auswahl der Worte zu einem bestimmten Thema den Rahmen vorgibt. Ein einfaches Beispiel: das berühmte Glas Wasser. Bei dem einen ist es halb voll, bei dem anderen halb leer. Die Wassermenge ist in beiden Fällen identisch, nicht aber die Semantik, die erzielte Wirkung dieser Aussage.

Ersetzen wir das harmlose Beispielglas mit Wasser nun einmal durch den Begriff »Flüchtlingswelle«. Auf den ersten Blick impliziert dieses Kompositum, das viele Menschen fliehen. Doch die Verbindung von »Flüchtlingen« und »Welle« schafft einen negativen Rahmen. Denn die Geflüchteten werden zu einer Welle gemacht, ähnlich einer Naturkatastrophe, und dadurch zu einer Gefahr für die anderen Menschen im Land. Schon das Bild legt ihnen nahe, sich von dieser Gefahr abzuschotten.

Sprache gezielt einsetzen
Sie merken schon, was sich mit Framing so alles anstellen lässt. Wobei Framing an sich nichts Negatives ist. Wir alle geben tagtäglich solche Sprachrahmen vor, meist unbewusst und unbemerkt. Aber man kann es eben auch sehr gezielt einsetzen. Die Werbung zum Beispiel macht das täglich vor, achten Sie ab jetzt mal etwas drauf. Politiker bedienen sich dieser Taktik ebenfalls. Nur leider bleibt dabei der Respekt viel zu oft auf der Strecke – oder außerhalb des Rahmens. »Geringverdiener« ist so ein Beispiel, oder »Asyltourismus«. Genauso »linksgrünversifft« oder die berühmt-berüchtigte »Lügenpresse«.

Mit am besten begriffen haben dieses Konzept leider die Populisten und die Feinde von Demokratie, Menschenwürde und Respekt. So oft wie möglich wiederholen sie »ihre« Wörter und Wendungen, damit sie sich schön im Gehirn einnisten. Aber ihnen deshalb das sprachliche Feld kampflos überlassen? Never ever. Ich wünsche mir ein framing mit guten Werten, mit Blick für den Mitmenschen und dem Respekt als Rahmen. Das wirkt dann sowohl der Verrohung in der Sprache entgegen als auch jener durch die Sprache.

Worte wirken Wunder
Was ebenfalls Wunder wirkt? Öfter mal »Danke« sagen für scheinbar Selbstverständliches. Gerade im beruflichen Alltag fällt das viel zu oft hinten runter, setzt aber so viel Positives frei. Und macht nicht nur den Empfänger der Botschaft glücklich.

Auch beim Feedback geben zum Beispiel ist noch ganz viel Platz für Wertschätzungstransport. Die Art und Weise, wie man etwas sagt, ist dabei das eine. Aber auch, dass man etwas sagt und nicht einfach schweigt. »Nicht geschimpft ist genug gelobt« ist dabei allerdings mehr als überholt und weder zeitgemäß noch respektvoll. Und gerade da, wo etwas nicht so gut gelaufen ist, wirkt ein konstruktives Feedback umso mehr. Sie merken: Sprache ist mächtig! Nutzen wir also dieses wundervolle Werkzeug, um wieder mehr Respekt in den Diskurs zu bringen und damit auch in die Herzen.

Über den Autor:
Tim Niedernolte, Jahrgang 1978, hat in München Literatur und Kommunikationswissenschaft studiert. Heute ist er Fernsehmoderator, Buchautor und Vortragsredner. Nach Stationen bei RTL und SKY arbeitet er seit 2010 beim ZDF. Zunächst für die Sendung »logo!«, danach hat er die »heute-Nachrichten« moderiert und die »drehscheibe«. Aktuell steht er dort für »hallo deutschland« vor der Kamera.

Nach »Wunderwaffe Wertschätzung – vom großen Glück einer einfachen Lebenshaltung« (2018) erscheint Anfang Oktober sein zweites Buch: »Respekt! Die Kraft, die alles verändert, auch mich selbst«. Niedernolte ist verheiratet und lebt mit seiner Frau und den beiden Töchtern in Berlin.

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