Die Sucht nach Clubhouse
Immer und Überall dabei sein
Das Besondere an Clubhouse ist das Audio-basierte Wesen. Es existiert keine Möglichkeit der Bewertung, keine Daumen hoch, keine Herzen. Die Unterhaltungen können im Nachhinein nicht abgerufen werden, es gibt nur das hier und jetzt. Getrieben von der Angst, etwas zu verpassen, verbringen die User stunden in der App. Nachdem ich die zehnte Instagram Story zum Thema „Verkaufe Clubhouse Einladung“ gesehen habe, wurde ich neugierig. Das Überangebot an pandemiebedingten Räumen erschlug mich zunächst. Darunter Themen wie Beziehungen, Lockdown, TV-Shows, Bitcoin sowie Coaching und Co. In den Räumen herrscht größtenteils ein respektvoller Umgang miteinander. Es gibt Expertenrunden, in denen nur wenige Personen sprechen, die einen massiven Mehrwert mitbringen. Weiterhin existieren Diskussionsrunden mit vielen Speakern auf der Bühne, denen eine begrenzte Redezeit einräumt, wird, um möglichst viele Meinungen zu hören. Wer sich auf der Bühne durch fragwürdige Aussagen selbst hervortut, wird schnell öffentlich disqualifiziert. Dabei ist die Qualität der Räume entscheidend. In kleinen Rooms bietet sich die Chance, sich auf Augenhöhe zu begegnen. Man trifft so auf Menschen, die im wahren Leben nur schwer erreichbar sind, wie Politiker, Bundesligaspieler oder Topmanager. „Follower generieren“ ist auch auf Clubhouse ein Trend. Zum einen ist es positiv zu bewerten, denn nur wenn ein Nutzer einen Raum betritt, bekommen dessen Follower diesen Raum auf ihrer Startseite angezeigt. Das Folgen von Menschen mit ähnlichen Interessen schafft eine Verbindung zwischen den Usern und führt zu einer Übersichtlichkeit im diffusen Überangebot der Räume.
Es steht jedem selbstverständlich frei, sich breit aufzustellen und in andere Thematiken reinzuhören. Gleichzeitig lassen sich viele vom allgemeinen Phänomen der Anzahl der Follower beeinflussen. Eine hohe Zahl bedeutet nicht, dass derjenige hochqualitativen Mehrwert bietet. Umgekehrt gilt das Gleiche. Es existieren bereits stille Räume, in denen es lediglich um das gegenseitige Folgen geht. Dies birgt ungemeine Gefahren, weil sich Menschen vernetzen, die in anderen Räumen möglicherweise Hassreden verbreiten. Getreu dem Motto von Tony Robbins „believe and achieve“ kann jeder sein wer er sein möchte. Auf Clubhouse gibt es Menschen mit Angstzuständen, suizidalen Gedanken oder finanziellen Problemen. Somit gibt es auch selbst ernannte Experten, Therapeuten und Vermögensverwalter, die Ferndiagnosen erstellen. Natürlich gibt es auch nachweisliche Experten auf den einzelnen Gebieten. Ich empfinde es als äußerst wichtig, diese Personen auf ihre Kompetenzen zu überprüfen. Eine mögliche Lösung sehe ich darin, ein System zu integrieren, indem Personen sich und ihre Fähigkeiten verifizieren können. So könnte ein echter Experte durch Clubhouse einen entsprechenden Eintrag in sein Profil bekommen. Neben der Möglichkeit, Persönlichkeiten wie Elon Musk oder Mark Zuckerberg zuzuhören und in ihre Gedankenwelt einzutauchen, bietet Clubhouse das weitaus größere Geschenk, in den zwischenmenschlichen Erfahrungsaustausch zu kommen. Personen mit eingeschränkter Sehfähigkeit können diese App perfekt nutzen.
Darüber hinaus gibt es Lesungen von Bestseller-Autoren oder interaktive Podcasts. Aber man kann auch einen Sternekoch oder die Mama von nebenan nach einem Kuchenrezept fragen. Meine Einschätzung ist, dass Clubhouse entweder zu einer unmoderierten Müllhalde für Selbstdarstellung, hetzerische Inhalte und das Verbreiten von Fake News wird oder zu einem Ort, an dem Menschen sich zum Austausch mit Respekt und dem Drang nach intellektuellem Tiefgang begegnen. Am Ende des Tages geht es nicht darum, ständig auf der Jagd nach neuen Followern zu sein oder sich immer auf die Bühne zu drängen. Sondern darum zu erkennen, dass die größte Macht und der zukünftige Weg der App immer bei der Zuhörerschaft liegen. Räume, in denen Menschen zusammenkommen, die etwas bewegen und inständig eine Verbesserung herbeiführen wollen, finden oftmals kaum Anklang. In Räumen hingegen, wo Leute öffentlich denunziert, kritisiert und ins verbale Kreuzfeuer geraten, ist die Raumgrenze auch mal schnell erreicht. Die Einzigen, die daran etwas nachhaltig ändern können, sind die Zuhörer selbst, indem sie diesen Bewegungen sprichwörtlich keine Bühne bieten und den Raum schlichtweg verlassen. Diese nachhaltige, machtvolle Veränderung ist nur ein Klick entfernt.
Ich war in einem Raum, indem eine Frau über ihren Sohn sprach der gemobbt wurde. Es entstand eine Debatte zum Thema, der Fokus lag plötzlich nicht mehr auf der Rednerin und ihrem Problem. Stattdessen entwickelte sich der Raum zu einer „Expertendiskussion“ bei der die Experten sich in ihrem Redenanteil gegenseitig überboten. Ich habe der Dame gefolgt und kam wenige Tage später in einen Raum, wo sie ebenfalls gesprochen hat. Der Raum hatte zehn Zuhörer. Es stellte sich heraus, dass der Junge unteranderem wegen seiner Lese und Rechtschreibschwäche gemobbt wurde. Im Publikum befand sich eine pensionierte Lehrerin. Heute bekommt der Junge kostenlose Nachhilfestunden über Zoom. Ich durfte miterleben, wie durch Clubhouse bei einem jungen Menschen für den Rest seines Lebens eine nachhaltige Veränderung herbeigeführt wurde. Das ist nur ein kleines Beispiel dessen, was möglich ist. In Clubhouse sehe ich die Chance darin, dass die Menschen mit der gleichen Einstellung vereint werden können. Oft haben die Teilnehmer ein gemeinsames Ziel, ohne es zu erkennen. Ich möchte die Menschen dazu bewegen, bewusst hinzuhören, um zu zeigen das aus einem ICH ein WIR entstehen kann.