Michael Rossié

Kein Witz!

Humor ist, wenn man’s trotzdem macht!

Wir können jetzt darüber diskutieren, ob Speaker Witze erzählen sollten. Ich finde: »Nein!«. Aber damit ist eine unzusammenhängende Folge von witzigen Geschichten gemeint, die mit dem Thema nur am Rande zu tun haben. Wenn der Witz aber genau zum Thema passt, dann ist es kein Witz mehr, sondern eine geistreiche Geschichte, die meine Botschaft illustriert. Witzig, humorvoll, pointiert sollte es nach Möglichkeit immer sein. Es gehört zur ganz großen Kunst eines guten Redners, das hinzukriegen.

In meiner Arbeit mit Rednern und Speakern fällt mir meist als erstes auf, wenn Geschichten falsch erzählt sind, wenn Pointen verschenkt werden und wenn die griffigen Sätze nicht wirklich griffig sind oder sie sind gleich von Steve Jobs, Barack Obama oder Sophia Thomalla. Auch im Internet kann man dieselbe Geschichte oft in verschiedenen Variationen finden, von denen meist nur eine witzig ist. Denn was Menschen zum Lachen bringt, hat eine ganz bestimmte Struktur und ein leichter Verstoß dagegen wird mit bewegungslosen Gesichtern bestraft. Ich habe über 200 Vorstellungen mit Elke Sommer in einer, na ja, sagen wir sehr seichten, Komödie gespielt (ich war Prinz Charles). Wir haben jeden Abend mit Live-Publikum ausprobiert, wie wir die Lacher alle richtig hinkriegen.

Die Anzahl der Lacher stieg jeden Abend. Wir waren sehr verwundert, wie viel wir in den ersten Vorstellungen noch verschenkt hatten. Die Formulierung im Text starrt dich wochenlang an, um Dir erst nach Dutzenden von Vorstellungen ihr Geheimnis zu enthüllen.

»Seid ihr beide Zwillinge?« – »Nein, warum fragen Sie?« – »Weil eure Mami euch heute genau gleich angezogen hat.« – »So, das reicht jetzt! Führerschein, Fahrzeugpapiere.
Aber dalli!«

Der Witz besteht ausschließlich aus wörtlicher Rede. Die ist auch von einem nicht begabten Redner sehr leicht nachzumachen. Der Witz wird jetzt deutlich stärker, wenn ich den Frager so sprechen lasse, wie der gute Onkel oder die liebe Tante zu den süßen Kleinen spricht. Dann habe ich einen besseren Gegensatz zu einem harten »So, das reicht jetzt!« und die Überraschung ist stärker. Wenn ich das gut erzähle, kann ich mir sogar das »Aber dalli!« am Ende sparen, weil ich den zackigen Unterton schon unterlegt habe.

Wörtliche Rede erklärt Figuren, ohne sie beschreiben zu müssen, man kann schöne Gegensätze schaffen, und sie ist auch für den Laien leicht umzusetzen.

Ein Besucher steht auf der GSA-Convention vor einem großen Plakat mit der Aufschrift: »Ein Speaker lügt nicht!« Nach einer Weile sagt er nachdenklich: »Bei über siebenhundert Mitgliedern ein ziemlich schlechter Prozentsatz.«

Man könnte diese Geschichte auch in der Vergangenheit erzählen. Letztes Jahr stand ein Besucher… aber Geschichten, Witze, Anekdoten erzählt man am besten immer in der Gegenwart. Auch dann, wenn sie eindeutig in der Vergangenheit spielen. Es genügt ein kurze Zeitbestimmung (Es war mein erstes Studienjahr…, London 1882…, Volker Römermann war zwei Jahre alt…) und dann geht es im Präsenz weiter.

Geschichten in der Gegenwartsform sind einfacher
gebaut, leichter zu erzählen und werden besser
verstanden.

»Wenn ich ein Flugzeug betrete, das wie meine Großmutter riecht, da gibt es für mich eine Grenze.«

Viele Witze brauchen eine Vorbereitung, damit wir lachen können. Dieser Witz ist nicht komisch und Sie werden sich fragen, warum das überhaupt ein Witz sein soll. Wenn der Redner aber vorher über das Alter von Flugzeugen gesprochen hat, wird das ein schöner Lacher. Unser Denken muss manchmal erst in die richtige Richtung gehen. Besonders dann, wenn ich wie in dem Großmutter-Witz zwei Dinge miteinander vergleiche, die man nicht vergleichen kann.

Der Speaker liebt es, im Mittelpunkt zu stehen. Auf einer
Beerdigung ist er traurig, dass er nicht die Leiche ist.

Ohne den ersten Satz funktioniert der zweite nicht. Wenn sich zwei Besucher darüber unterhalten, dass der Speaker sie an die Bundesbahn erinnert, muss vorher klar sein, dass da ein deutscher Speaker einen Vortrag auf Englisch hält.

Lenken Sie die Gedanken ihrer Zuschauer in die richtige Richtung. Bereiten Sie genau vor, welche Vorstellung die Zuschauer haben sollen, um dann dazu einen Witz zu machen.

Ich habe den Vortrag von Martin Limbeck sehr genossen. Es hat mir nur ein bisschen leidgetan, dass ich meine Kinder nicht aufwachsen sehen konnte, so lange hat der geredet.

Wenn nach der Pointe noch etwas kommt, macht das die Pointe schlechter. Man serviert auch nicht nach einer sensationellen Zitronenmousse noch einen Lutscher aus dem Supermarkt. Hier sollte das »so lange hat er geredet« weg. Ganz davon abgesehen, das der Erzähler hier Angst hat, dass wir den Witz nicht verstehen. Möglicherweise braucht der Witz ein bisschen, um verstanden zu werden, aber das macht nichts.

Sie haben diese neue Feuer- und Diebstahlversicherung. Aber nur wenn Dein Haus ausgeraubt wird, während es brennt, werden sie zahlen.

Dieser Witz ist ebenfalls schlecht gebaut, weil die Pointe nicht am Ende steht. Das kann gar nicht oft genug erklärt werden, wie wichtig das ist. Die Pointe sitzt immer erst in den letzten Worten.

Sie haben diese neue Feuer- und Diebstahlversicherung. Aber sie zahlen nur, wenn Dein Haus ausgeraubt wird während es brennt.

So stimmt der Witz. Das ist dann genau der Unterschied zwischen müdem Lächeln und herzhaftem Lachen.

Sorgen Sie dafür, dass die Pointe unerwartet kommt und genau im Gegensatz zu dem steht, was Sie kurz davor erzählen.

Treffen sich ein Schauspieler und ein Speaker. Sagt der Schauspieler: »Wie fanden Sie mich denn gestern in der Komödie?« – »Ich fand es nicht lustig!«, antwortet der Speaker. »Wie fanden Sie denn meinen Vortrag über das perfekte Verkaufsgespräch?«, fragt der Speaker. Antwortet der Schauspieler: »Ich fand ihn schreiend komisch!«

Je ähnlicher sich die Antwort des Schauspielers und des Speakers sind, desto besser. Wir haben eben auch sehr viel Spaß an einer pointierten sprachlichen Form.

»Ich bin jetzt von New York nach Königstein gezogen. Von der Stadt, die nie schläft zur Stadt, die niemals aufwacht.«

»Ein Speakerdinner. Gabel in der Rechten, Messer im
Rücken.«

Wenn die Pointe aus einem Vergleich oder Gegensatz besteht, versuchen Sie Parallelen zu finden und so
ähnlich wie möglich zu formulieren.

»Entschuldigung. Aber manchmal sage ich was ich denke, bevor ich denke, was ich sage.«

Viele Witze sollten Sie gut vorbereiten, wenn Sie sie erzählen wollen. Eine kleine falsche Betonung, eine falsche Pause – und die Pointe ist hin. Glauben Sie nicht, dass das schon klappen wird. Nein, das muss man üben, so dass das im Schlaf geht.

»Eine Speakerehe: Er tut, was Sie will. Und sie tut, was
sie will. «

»Wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen.«

Sehen Sie sich Ihre Pointen genau an, setzen Sie
Pausen und Betonungszeichen und lernen Sie die gleich mit. Pointen müssen »sitzen«!

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