Mentale Stärke

Ein Artikel von Andreas Klement

Erfolgsfaktor in Sport und Business

Dominik Eberle hat einen der vielleicht undankbarsten Jobs im American Football. Der deutsche Football-Profi hat jüngst einen Platz im Kader der Las Vegas Raiders ergattert – als Kicker. Seine Aufgabe sieht dabei zunächst recht einfach aus: Er kommt nur auf das Feld, wenn es darum geht einen Field Goal oder Extrapunkt zu erspielen, das heißt er muss den Ball durch das Torgestänge am Ende des Spielfeldes schießen. Ein kurzer Auftritt, doch nicht zu unterschätzen ist dabei die mentale Belastung. Alle Augen sind auf ihn gerichtet, ein guter Schuss kann auch eine schlechte Offensive noch mit einem Punkt abschließen. Ein schlechter Schluss hingegen wird meist mit Buh-Rufen und Enttäuschung quittiert. Das jedes Mal durchzustehen, dem Druck und der Erwartungshaltung standzuhalten, das erfordert eine besondere mentale Stärke.
Gerade im Spitzensport ist mentale Stärke einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren: Sportler stehen ständig unter Leistungsdruck, müssen ihre eigenen Grenzen überwinden und bei Wettkämpfen quasi per Knopfdruck ihre Bestleistung abrufen. Davon können Führungskräfte und Mitarbeiter in Unternehmen viel lernen. Leadership-Coach Andreas Klement verweist auf das von 2012 von Peter Clough und Keith Earle erstellte Modell für mentale Stärke mit vier Faktoren:

1. Confidence, also Selbstvertrauen: Mental starke Personen sind von ihren Fähigkeiten überzeugt. Dies ist gleichbedeutend mit der Selbstwirksamkeitserwartung, für die der kanadische Psychologe Albert Bandura vier Quellen ausmachte: An erster Stelle stehen Erfolgserlebnisse, denn die Bewältigung einer schwierigen Aufgabe stärkt den Glauben in die eigene Fähigkeit. Sportler erleben dies regelmäßig bei Wettkämpfen. Der zweite Punkt ist die stellvertretende Erfahrung: Sieht man, dass andere Menschen mit ähnlichen Fähigkeiten tolle Leistungen vollbringen, dann motiviert das und spornt die eigene Leistungsfähigkeit an. Deshalb sind Vorbilder so wichtig. Ein weiterer wichtiger Punkt – und hier können sich Führungskräfte etwas bei erfolgreichen Sporttrainern abgucken – ist der Effekt verbaler Ermutigungen: Wer ermutigt wird, der glaubt eher an seine eigenen Fähigkeiten. Den letzten wichtigen Aspekt erfasst Bandura unter dem Schlagwort »emotionale Erregung». Schwierige Situationen können im Menschen körperliche Reaktionen auslösen: Herzrasen, Schweißausbrüche, ein flaues Gefühl im Magen fühlen sich oft wie persönliche Schwäche an, sind aber ganz natürlich. Sportler kennen das zu Genüge. Wer lernt mit diesen Stressreaktionen umzugehen, der ist besser für Herausforderungen gewappnet.

2. Challenge: Mental starke Personen suchen gezielt Herausforderungen, sie überwinden dabei die eigenen Ängste und wissen wie sie Ihnen begegnen müssen.

3. Control: Mental starke Personen sorgen dafür, dass Dinge für sie kontrollierbar bleiben. Man denke hier an den bereits im ersten Punkt diskutierten Punkt der verbalen Ermutigung. Diese funktioniert nur, wenn die gesetzten Ziele auch realisierbar sind. Ein junger Sprintläufer wird nicht über Nacht zu Usain Bolt. Stattdessen setzt er realistische Zeiten, die er mit Training und entsprechender mentaler Stärke erreichen kann. Das gleiche gilt für die Geschäftswelt: Ein mental starker Mensch setzt sich machbare Ziele. Das heißt auch, sich ggf. unerfüllbaren Erwartungen zu widersetzen.

4. Commitment: Mental starke Personen halten an ihren Zielen fest und lassen sich nicht durch die ersten leichten Widerstände beirren.
Zusammengefasst: Mental starke Personen setzen sich höhere Ziele, sind motivierter, können besser mit Stress umgehen und zeigen mehr Ausdauer.

Mentale Stärke trainieren

Nicht jeder Mensch hat diese mentale Stärke, doch das ist kein Grund, an sich selbst zu verzweifeln, denn mentale Stärke lässt sich lernen. 2015 entwickelte Von Satow dafür das Stufenmodell mentaler Stärke. Es wird häufig im Training mit Leistungssportlern genutzt, um deren mentale Stärke gezielt aufzubauen. Das Stufenmodell ist aber auch im Business-Bereich und Leadership-Coaching hilfreich. Dabei sind die folgenden Schritte essenziell:

1. Glaube an die eigenen Fähigkeiten: Wer ständig an sich selbst zweifelt, kann die eigenen Stärken nicht nutzen. Sportler erlernen den Glauben an die eigenen Fähigkeiten mit Hilfe gezielter mentaler Übungen und besonderer Trainingseinheiten. Sie bauen dabei eine Selbstwirksamkeitsüberzeugung auf, wie sie unter anderem Albert Bandura beschrieben hat.

2. Auf ein Ziel fokussieren: Auf ein Ziel fokussieren ist manchmal nicht einfach – weil wir uns durch andere Aufgaben oder Druck ablenken lassen. Sich von äußeren Einflüssen abzuschotten und die eigenen Gedanken in Leistungssituationen zu kontrollieren, ist eine der wichtigsten Fähigkeiten von Sportlern. Man denke beispielsweise an einen Wettkampf in einem Stadion: Tausende von Zuschauer, Pressefotografen, Fernsehkameras, Trainer, Mitstreiter… all das sind Stressfaktoren, die ein erfolgreicher Sportler ausblenden muss, um sich auf das Ziel zu konzentrieren.

3. Mit Misserfolgen umgehen: Sportler lernen von Anfang an: Wettkämpfe sind nicht immer von Erfolg gekrönt. Da hat man sich monatelang vorbereitet, doch wenn es so weit ist, lässt sich die erhoffte Leistung nicht abrufen. Sich nach dem Wettkampf wieder selbst aufzurichten, erneut das Training aufzunehmen und zuversichtlich auf den nächsten Wettkampf zu blicken, ist eine der schwierigsten Herausforderungen. »Wichtig ist, dass man aus den Fehlern lernt und sie nicht zu negativ sieht«, erklärte Torhüterin Laura Benkarth in einem Gespräch mit Leadership-Coach Andreas Klement. Mentale Stärke ist dabei der Schlüssel: »Wenn dir nach zehn Minuten ein doofes Tor passiert, sind noch immer 80 Minuten zu spielen und dann muss man versuchen, das schnellstmöglich abzuhaken.« Mental starke Personen sehen in Fehlern die Chance zu lernen, statt sich Frustration und Ärger hinzugeben.

4. Sich selbst herausfordernde Ziele setzen: Neue Herausforderung sind wichtig für die Motivation. Ohne neue Ziele gibt es keine Weiterentwicklung, sondern Stagnation. Und das ist auf Dauer langweilig und unbefriedigend. Trainer und gute Business-Leader verstehen es, Sportler und Mitarbeiter durch neue Ziele zu motivieren. Mentale starke Menschen schaffen es zudem, sich selbst derartige Ziele zu setzen und darauf hinzuarbeiten.
Mitarbeiter und Führungskräfte in Unternehmen können sich also einige Tipps und Tricks bei Spitzensportlern abgucken, um selbst mentale Stärke aufzubauen und zu trainieren. Wer sich beispielsweise gut auf eine schwierige Aufgabe vorbereitet, kann diese mit größerem Selbstvertrauen angehen und dabei bestehende Ängste überwinden – zum Beispiel die Unsicherheit bei einem öffentlichen Vortrag oder einer Unternehmenspräsentation. Nicht umsonst trainieren Sportler tagtäglich so hart: Vorbereitung ist alles. Zudem können Vorbilder dabei helfen, sich auf ein selbstgesetztes Ziel zu konzentrieren, frei nach dem Motto »Wenn der das kann, schaff ich das auch«. Führungskräfte auf der anderen Seite haben die Funktion guter Trainer: sie fördern die mentale Stärke ihrer Mitarbeiter und verbessern so die Leistungsfähigkeit des ganzen Teams.

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