Es kommt auf Dich! an

Ein Beitrag von Andreas Rogotzki

Mathias Wald im Interview mit Andreas Rogotzki

Mathias: Andreas, auf LinkedIn positionierst du dich als Experte und Speaker für New Work und Agilität. Ich habe dich bei einem Vortrag zum Thema Veränderung kennengelernt. Wie kommen die Themen zusammen?

Andreas: In meiner Welt geht das eine nicht ohne das andere. Noch wird das Thema New Work allerdings von vielen Menschen als eine Art Hype belächelt. Feelgood-Manager ziehen in Unternehmen ein und oft wird New Work mit bunten Möbeln, dem Kickertisch und einem gemeinsamen Frühstück interpretiert. Der wahre Kern von New Work hält jedoch erst mit einem tiefgehenden Verständnis von Individualität im Kontext Gemeinschaft Einzug. Und dieses Verständnis schreit geradezu nach Veränderung. Einige Unternehmen abseits der IT-Branche haben bereits ernüchternde Erfahrung mit Agilität gemacht. In erster Linie ist ein Scheitern meist darauf zurückzuführen, dass eine vage Vorstellung davon, was Agilität bewirken soll, auf ein bestehendes System angepasst wird. Die grundsätzlichen Strukturen, dass bisherige Denken, wurden also nicht verändert, sondern nur etwas vermeintlich Trendiges hinzugenommen.

Mathias: Was reizt dich am Konzept New Work?

Andreas: Menschen dürfen und sollen, es ist also ausdrücklich erwünscht, Selbstverantwortung übernehmen. Wir haben in den letzten Monaten durch Corona hautnah mitbekommen, sei es im eigenen Umfeld oder via Medien, dass einfach noch zu viele Menschen die Verantwortung für sich, für ihr eigenes Denken und Handeln in fremde Hände legen. Die Schuldigen werden meistens im Außen gesucht, außerhalb des eigenen Kopfes. »Mein Partner ist schuld; mein Chef ist schuld; die Politik ist schuld; die Wirtschaft ist schuld; Bill Gates ist schuld.« Es ist verrückt. Menschen sitzen daheim vor dem Fernsehgerät und schimpfen über Trump und China. What?! Und in Unternehmen sieht es dann nicht anders aus. Die eigene passive Haltung wird nicht hinterfragt, wieder sind es die anderen, die mich daran hindern, etwas zu bewegen. Wir dürfen uns klar machen, dass wir immer eine Wahl haben. Immer! Im Konzept der New Work geht das nicht mehr so einfach, hier kann ich einen eigenen Fehler nicht jemand anders in die Schuhe schieben. Ein gewinnendes Argument an der Stelle ist der offene und transparente Umgang mit Fehlern. Von den erfolgreichsten Menschen haben wir vor allem eins gelernt: Mach es einfach. Erkenne was nicht funktioniert hat und nimm es an, mach es beim zweiten und dritten Mal anders. Ein weiterer starker Punkt ist, dass ich mich mit der Fähigkeit in eine Gemeinschaft einbringe, die ich von allen am besten kann. Und ich bin in diesem Bereich so gut, weil ich dafür brenne, weil ich eine Sinnhaftigkeit in meinem Tun erkenne. Unter New Work funkelt das »Wozu« in der Entfernung als hellster Stern am Himmel, auf den ich mich zu bewege. Nicht nur die jungen Generationen Y und Z hinterfragen immer stärker „Wozu tu ich das, was ich tu, überhaupt?“, auch meine eigene Generation X, die jetzt mit Anfang-Mitte 40 in der Blüte ihres Lebens steht, will Sinn im eigenen Tun erleben. Wenn ich fühle, dass ich als Persönlichkeit und mit meinen Fähigkeiten eine sonst klaffende Lücke ausfülle, gerade weil ich so bin, wie ich bin, dann erlebe ich auch Vertrauen von anderen in mich. Ich weiß, dass sich alle in meinem Umfeld auf mich verlassen. Dieser Umgang mit Verantwortung und Vertrauen, dieses Erkennen, dass ich mich voll auf andere Menschen verlassen und einlassen darf und kann, setzt eine Veränderung in unserem Denken voraus die Mut erfordert. Unter diesem Schirm reflektiere ich mein Denken und Handeln und geh in die Entwicklung.

Mathias: New Work ist also nicht die gemütliche Hängematte, als die sie oft belächelt wird?

Andreas: Ganz und gar nicht. In dem ich Verantwortung für mich und mein Leben, meine Ziele und Träume übernehme, mache ich mir selbst das größte Kompliment und leiste den stärksten Beitrag für unsere Gesellschaft überhaupt. Und erst wenn ich mir selbst helfe und geholfen habe, kann ich auch anderen Menschen helfen. Wie soll ich etwas für andere tun, wozu ich selbst für mich nicht in der Lage bin oder dazu bereit war? Die New Work Bewegung hat das Zeug, in die Mitte der Gesellschaft zu schwappen und uns ein völlig verändertes Gefühl der Zugehörigkeit und des Seins zu ermöglichen. Für mich persönlich die schönste Idee überhaupt.

Mathias: Wow! Mir stellt sich gerade die Frage, ob die Idee von Selbstverantwortung viele Menschen nicht überfordert bzw. Menschen keine Idee davon haben, wie sie dahin kommen?

Andreas: Wir nähern uns dem Kern (lacht). Bisher haben unsere Systeme, Gesellschaft, Politik, Unternehmen kaum Rücksicht darauf genommen, dass wir alle eine ureigene Individualität in uns tragen. Unsere sozialen und gesellschaftlichen Leitplanken, bestehend aus Schulen, Universitäten und Unternehmen, haben versucht, uns alle gleich zu machen, vergleichbar zu machen. Das war ein großer Irrtum. Der Vergleich ist Kern allen Übels und blockiert den Mut zur Veränderung. Denn bevor ich mich in unbekannte Gefilde wage, setzt der Mensch auf Sicherheit. Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Selbst wenn ich meinen Sinn im Leben gefunden habe, wenn ich mich mit anderen vergleiche, erkenne ich an einer bestimmten Stelle meine Minderwertigkeit die mir suggeriert, noch immer nicht gut genug zu sein. Im gleichen Moment bewerte, urteile und verurteile ich die anderen. Ich begebe mich wieder auf die Suche nach den Schuldigen.

Mathias: Was schlägst du vor?

Andreas: Individualität vor Generalisierung. Für ein Gleichmachen sind wir alle zu verschieden. Wenn wir akzeptieren, dass unser Gegenüber ein Individuum ist, haben wir den wichtigsten Schritt in Empathie getan. Wir alle dürfen Schwächen haben. Bewerten und Verurteilen ist in diesem Zusammenhang nicht zielführend. Wenn mir mein eigener Wert nicht von außen abgesprochen wird, steigt meine Bereitschaft, an eigenen Schwächen zu arbeiten und in die Verantwortung zu gehen. Und: Alle Menschen, unabhängig von Amt und Würden, unabhängig von Abschlüssen und Zertifikaten, unabhängig von Geschlecht, Konfession und Hautfarbe sind gleich viel wert. Das darf unabhängig von der New Work Bewegung nicht mehr zur Diskussion stehen.

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