Empathisch führen oder klare Kante?

Viele Menschen denken von sich, empathisch zu sein. Im Business, gerade in der Führung, löst das Wort jedoch bei vielen Menschen Widerstände aus – Empathie, so etwas Weiches ist doch nicht hilfreich!
Dabei sprechen viele über ein Defizit an Empathie in der heutigen Zeit. Wo ist sie hin, unsere Fähigkeit, mitzufühlen und entsprechend zu kommunizieren?
In meinen Jahren als selbständige Stimmtrainerin sind mir zwei Dinge klar geworden. 1. Wenn sich jemand nicht einfühlen kann, dann nützt der beste Ton nichts. 2. Die Mission, die ich eigentlich habe, ist nicht die perfekte Stimme, sondern, dass die Welt schöner klingt. Das tut sie im Moment nicht. Grobe Töne, verhärtete Fronten, das ist unser Zeitgeist. Dabei wäre es oft besser, wieder weicher zu werden, eine interessierte Frage zu stellen oder einfach Verständnis zu äußern.

Erinnern Sie sich an den Begriff „semipermeable Membran“ aus der Schule? Eine solche Membran ist nur teilweise durchlässig. Nicht ganz, aber sie hält auch nicht alles ab. Diese Membran ist eine schöne Metapher für Empathie.
Was ist eigentlich Empathie? „Die Gefühle eines Menschen erkennen, verstehen und angemessen handeln.“ Die Gefühle von Menschen kommen durch unsere individuelle Membran hindurch, sie betreffen uns. Doch wie stark sollten wir uns betreffen lassen?
Hat sich im Laufe eines Lebens eine Membran fest um das Wesen eines Menschen gelegt, die nichts in das Innere hindurch lässt, dann erscheint dieser Mensch gegenüber anderen Menschen unempathisch. Vielleicht erkennt derjenige die Gefühle eines anderen, er mag sie aber nicht verstehen, sondern lieber verurteilen. Damit kann die Führungskraft die Belastung eines Mitarbeiters nicht akzeptieren, denn die Membran ist zu dick. Der Mensch ist impermeabel geworden.
Ist die Membran aber komplett durchlässig, kommt also jedes Gefühl eines Menschen durch, dann ist Empathie zu Recht zu hinterfragen, denn der Mensch ist nicht handlungsfähig. In der Forschung spricht man hier vom empathischen Stress – das Gehirn ist ähnlich aktiviert wie bei dem, der Schmerz oder Stress erleidet. Die Führungskraft wird von den Befindlichkeiten der Mitarbeiter hin und her geworfen, der Fokus leidet, die Unternehmensinteressen leiden, der Umsatz leidet – alle leiden. Klingt nicht so sinnvoll, meinen Sie? Stimmt.
Und nun, Sie ahnen es schon, kommen wir zu diesem lustigen Wort aus der Osmose, der semipermeablen Membran. Es kommt etwas zum Inneren durch, aber eben nicht ALLES. In der Forschung wurde ein Zustand nachgewiesen, in dem ich zwar die Gefühle des anderen erkenne, aber angemessen handeln kann, ohne mein Wohlbefinden zu verlieren. Dieser Zustand nennt sich Mitgefühl. Ich wünsche dem anderen alles Gute und trage auch dazu bei. Der Fokus leidet nicht und ich behalte als Führungskraft sowohl meine, als auch die Unternehmensbedürfnisse im Blick.
Denken Sie in der nächsten emotional herausfordernden Situation an diese 3 Membranen. Verschaffen Sie sich Raum und überlegen Sie in Ruhe: Wie kann ich der Situation begegnen, damit die Welt ein bisschen besser klingt? Und schon haben Sie einen neuen Ton kreiert.

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