Die Redneruhr
Sechs magische Fragen zur Redevorbereitung
Ich habe den schönsten Beruf der Welt. Ich darf wundervolle Menschen mit großartigen Themen auf ihre Reden vorbereiten. Was könnte schöner sein, als in spannende Themen einzutauchen, Impulse zu geben und so Teil von großen Erfolgsgeschichten sein zu dürfen?
So darf ich zum Beispiel seit über zehn Jahren bedeutende Reden, wie die Neujahrsansprache mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann vorbereiten. Er ist klug, reflektiert und warmherzig, eine ideale Kombination für eine wichtige Rede. Mit dieser Mischung gelingt es ihm auch immer wieder, in der Liste der beliebtesten Politiker Deutschlands ganz nach oben zu rutschen.
Ich möchte euch ein Tool vorstellen, das ich erarbeitet habe, um Menschen auf ihre Reden vorzubereiten, die Redneruhr.
Die Redneruhr besteht aus sechs Fragen
- Wer?
- Was?
- Für wen?
- Wie?
- Warum?
- Wie weiter?
In der Regel haben sich die Redner:innen, wenn ich sie zum ersten Mal sehe, hauptsächlich auf Punkt zwei vorbereitet. Sie kennen ihr Thema und haben sich intensiv mit dem Inhalt ihrer Rede auseinander gesetzt. Davon, dass man überlegt vor wem man spricht, haben sie auch schon gehört, aber noch nicht in der Tiefe nachgedacht. Fragen haben sie besonders zu Punkt vier. Sie möchten von mir Tipps zum Setting, Feedback zur Körpersprache und Stimme und sind bereit die Rede zu üben. Wie wertvoll ist es aber, sich mit allen sechs Fragen intensiv zu beschäftigen und wie dann aus guten Reden Meisterwerke entstehen, erstaunt sie eigentlich immer.
Beginnen wir mit Punkt 1: Wer bin ich?
Es ist unglaublich wertvoll sich zunächst über die Rolle oder Funktion in der man die Rede hält Gedanken zu machen: Das ist ein erster Schritt und verändert meist auch noch einmal die Kernaussagen. Richtig spannend wird es aber erst, wenn wir über uns selbst nachdenken. Wie ticke ich eigentlich? Was zeichnet mich wirklich aus? Wie kommuniziere ich, wenn ich ganz ich bin? Erst wenn ich diesen Punkt klar habe, habe ich die Grundlage für eine großartige Rede. Denn dann weiß ich zum Beispiel, ob ich mit einer freundlichen Begrüßung, einem Scherz, einer schockierenden Zahl, einem wichtigen Fakt, einer Beobachtung, einer interessanten Geschichte oder eine spannenden Frage die Rede beginnen soll. Nichts ist peinlicher als wenn ein sachlicher Typ versucht, auf der Rednerbühne den Zampano zu spielen und wie öde, wenn jeder seine Keynote mit einer Frage beginnt und dabei selbst den Arm nach oben reißt. Wenn wir schon zum Anfang der Rede ganz wir selbst sind, haben wir das Publikum am schnellsten gewonnen.
Punkt 2: Was möchte ich sagen?
Ich empfehle zur Vorbereitung einer Rede erst einmal alle Infos zum Thema zu sammeln und auf farbige Klebezettel zu schreiben. Daraus erarbeiten wir dann drei bis maximal fünf Kernaussagen. Kernaussagen sind kurze, klare, faktenbasierte Hauptsätze. Danach suchen wir für jeden Punkt ein bis zwei alltagsnahe, zum Publikum passende Beispiele. So entsteht ein grobes Raster, in das wir weitere Aspekte, wie zum Beispiel Ideen, Visionen, Ziele, Quellen, Fragen etc. hineinarbeiten.
Punkt 3: Die Liebe zum Publikum.
Die aus meiner Sicht schlechtesten Redner:innen sind die, die auf der Bühne stehen, weil sie sich selbst gerne reden hören. Davon gibt es aus meiner Sicht sehr viele, ganz besonders und einer Spezies, die sich selbst gerne Top-Speaker nennt und sich Auszeichnungen und Auftritte erkauft. Diese Redner:innen lernen ihre Reden auswendig und reden in der Regel nicht mit dem Publikum sondern über es drüber. Sie erarbeiten ihre Rede und lernen sie auswendig. Dann halten sie sie in immer gleicher Form, egal vor welchem Publikum sie gerade stehen. Wir sollten stattdessen bereits vor dem Schreiben der Rede ein innerliches Gespräch mit unserem Publikum führen. Wir machen uns Gedanken darüber, welche Fragen genau dieses Publikum in Bezug auf unser Thema haben könnte. Auf der Bühne geben wir dann in Redeform Antworten auf genau diese Fragen. So entsteht ein wirklicher Dialog mit dem Publikum.
Punkt 4: Die Gestaltung der Rede.
Bei der Frage nach dem WIE müssen wir vor allem eins, an unseren nonverbalen Kompetenzen feilen. Hierzu zählt eine aufrechte, stabile Körperhaltung, eine aktive Präsenz, lebendige Gestik und Mimik, Blickkontakt, eine angenehme, lebendige Stimme, eine deutliche Aussprache, das Setzen von Punkten und das Bewusste Nutzen von Pausen. All dies gelingt nicht auf Knopfdruck sondern Bedarf Geduld und Zeit. Wer aber wirklich ein Top-Redner werden möchte, sollte sich auf den Weg machen. Es lohnt sich, denn der Erfolg ist garantiert und kommt in Form von begeisterten Zuhörern zurück.
Kommen wir zum wichtigsten Punkt überhaupt: Dem WARUM.
Ich bin immer wieder erstaunt, dass sich die meisten Redner:innen darüber keine Gedanken gemacht haben. Sie wissen nicht, warum sie überhaupt reden. Bei der Vorbereitung in diesem Punkt, reicht eine Antwort wie ›weil das Thema wichtig ist‹ nicht aus. Ich muss über meine wahren Ziele nachdenken und dabei durchaus einmal einen Blick in die Tiefe zu meinen innersten Antreibern werfen. Ich bin immer wieder überwältigt davon, wie sehr sich die Rede auch inhaltlich verändert, wenn wir hier Klarheit haben.
In Punkt 6 geht es um den Redeabschluss.
Eine Rede soll ja vor allem eins, andere inspirieren. Dieses Ziel erreichen wir mit einem wertvollen Call to Action, einem Appell, der sich aus dem Inhalt gepaart mit unserem Warum ergibt. Es ist ein, meist philosophischer Gedanke, der zum Nachdenken und Handeln anregt und im besten Fall die Welt ein Stück besser macht.
Die sechs Fragen zur Redevorbereitung sind nur ein kleines Puzzleteil meiner Arbeit, aber meiner Erfahrung nach führen sie zu einem gigantischen AHA-Effekt. Sie verändern unsere Sichtweise auf unser Thema, optimieren den Kontakt zum Publikum und machen Redner:innen zu authentischen, charismatischen, fachkompetenten Gesprächspartner:innen.
Eine Rede ist im Idealfall kein von einem Menschen wiedergebender Text sondern ein wertvolles Gespräch mit dem Publikum.