Ein Beitrag von Daniela Landgraf
Früher … da wollte ich normal sein, so wie die anderen. Einfach nur dazu gehören,
Freunde haben, Anerkennung bekommen. Mit Freunden Eis essen gehen, auf
Geburtstagsfeiern eingeladen werden, zu einer Clique dazu gehören …
Doch das Gefühl der Zugehörigkeit kannte ich nicht. Ich war anders. Ausgegrenzt, abgelehnt, unverstanden. Verrückt? In der Tat, meine Körpersprache ist anders, als die von anderen Menschen, den »Normalen«. Ich habe das Tourette-Syndrom. Viele denken bei Tourette an Menschen, die plötzlich Schimpfworte herausschreien. Das tue ich nicht. Bei mir sind es neuronale Tics. Ich ziehe in den unpassendsten Momenten Grimassen, kneife die Augen zusammen, verdrehe die Handgelenke oder drehe mich zwanghaft nach hinten um. Lauter Dinge, die bei einem Gegenüber durchaus für Verwirrung sorgen.
In meiner Kindheit hieß es nur »Verhaltensstörung aufgrund der Trennung der Eltern, das verwächst sich wieder«. Nach der Scheidung – ich war fünf Jahre alt – folgten unglaublich viele Umzüge. Immer wieder war ich die »Neue«, feste Wurzeln fehlten. Meine Tics wurden schlimmer. Doch niemand kam auf die Idee, dass es etwas Medizinisches sein könnte. Auch ich nicht. Für mich war es ja »normal«. Ständig machte ich mir selbst Vorwürfe für meine fehlende Körperbeherrschung, hab mich sogar selbst verletzt, um mich zu disziplinieren. Erst mit 29 Jahren erfuhr ich, dass es einen Namen für meine Andersartigkeit gibt. Doch bis dahin waren die Glaubenssätze und fixen Überzeugungen, ich sei nicht gut genug und mich mag keiner so fest verankert, dass es noch einmal 10 Jahre dauerte, bis sich massiv etwas veränderte. Bis zu meinem 40. Lebensjahr habe ich mich ausschließlich über Leistung, Titel und Erfolg definiert. Ich wollte perfekt sein … und war gleichzeitig für viele unnahbar.
Heute weiß ich, dass Menschlichkeit wichtiger ist als Perfektion und dass Schwäche zeigen sympathisch macht.
Wahrlich starke Menschen zeigen ihre Schwächen.
Wie ist es bei Ihnen? Zweifeln Sie manchmal an sich selbst? Können Sie Schwäche zeigen, ohne sich schlecht oder minderwertig zu fühlen? Wie viele Menschen, vor allem in Führungsebenen, wollen sich perfekt zeigen? Bloß keine Schwäche zeigen oder angreifbar sein. Unternehmen suchen oft andersdenkende, selbstbestimmte Mitarbeiter. Doch wenn Mitarbeiter dann wirklich anders denken, vor allem als die Führungskraft, dann ist das plötzlich gar nicht mehr gewünscht. Mitarbeiter, die zu selbstbestimmt arbeiten, machen manch einer Führungskraft Angst. Vielleicht Angst vor Autoritätsverlust, vielleicht auch, dass am eigenen Stuhl gesägt werden könnte. Statt anders zu denken und selbstbestimmt zu handeln, sollen Mitarbeiter dann doch lieber dem Mainstream folgen.
Angst vor selbstbestimmten, selbstbewussten Mitarbeitern?
Haben Führungskräfte Angst davor, Mitarbeiter könnten aufmüpfig werden oder ihren eigenen Weg gehen? Ja, manchmal tun Mitarbeiter das. Was jedoch oft unbeachtet bleibt: Selbstbewusste Mitarbeiter, die so sein dürfen, wie sie nun mal sind, bringen einen unglaublichen Mehrwert für ein Unternehmen. Sie sind zufriedener, glücklicher, gesünder, energiegeladener und bringen viel positive Energie in ein Unternehmen, was wiederum dem Unternehmen zu mehr Erfolg verhilft!
Was möchten Sie? Selbstbewusste Mitarbeiter oder ängstliche Ja-Sager?
Und wie ist es in vielen agilen Teams? Auch hier werden meist selbstbewusste Mitarbeiter gesucht, doch wenn sie aufmüpfig werden, dann fliegen sie raus. Es werden anders- und innovativ denkende Menschen in Stellenanzeigen gesucht, doch in den Unternehmen selbst wird Mainstream erwartet. Dabei funktionieren agile Teams, Lean-Management und Change erst dann richtig gut, wenn Mitarbeiter ein gesundes Selbstwertgefühl haben und sich trauen, sie selbst zu sein.
Warum haben viele Führungskräfte Angst, Schwäche zu zeigen?
Ist es die Angst vor Autoritätsverlust? Oder die Angst davor, nicht mehr ernst genommen zu werden? Vielleicht die Angst vor Konsequenzen? Wie viele Führungskräfte haben den Mut, sich als der Mensch zu zeigen, der sie wirklich sind – in ihren Stärken, aber auch in ihren Schwächen?
Schwäche macht menschlich und nahbar.
Menschen vertrauen Personen, die menschliche Züge zeigen, nicht einer perfekten Maschine. Menschlichkeit beginnt mit gegenseitiger Wertschätzung und Vertrauen! Vertrauen in sich selbst und das Vertrauen darin, nicht perfekt sein zu müssen. Vertrauen darin, nicht abgelehnt zu werden aufgrund der eigenen Besonderheit. Mit dem eigenen Selbstvertrauen beginnt auch das Vertrauen in andere Menschen und die dazu gehörige Wertschätzung.
Danach kommt der Mut.
Den Mut zu haben, anders zu sein …
Das klingt so einfach und ist dennoch so schwer. Sagte man Ihnen in Ihrer Kindheit auch ständig, wie man Sie gerne hätte, was Sie zu tun und lassen hatten? Stillsitzen, nicht schwatzen, fleißig lernen, aufräumen, nicht zu viel träumen. Manch einer hört bis heute von anderen: »Bleib realistisch!« oder »Hör auf zu träumen!« … und lebt bis heute ein Leben voller Fremdbestimmung, manchmal gekoppelt mit dem Streben nach Perfektionismus.
Es ist Zeit für den Wandel
So viele Menschen sind beruflich erfolgreich und dennoch nicht glücklich. Leistungsdruck, Erfolgsdruck, Konkurrenzkampf, zu wenig Zeit für Sport, gesunde Ernährung und Familie – kennen Sie das? Ehrgeiz kann zu Höchstleistungen antreiben oder krank machen. Wie oft ist in Ihrem Business und in Ihrem Leben Platz für kleine Verrücktheiten, Spaß und Freude? Stattdessen wird viel mehr daran gearbeitet, die perfekte Fassade zu halten, die perfekte, erfolgreiche Führungskraft zu sein. Doch Perfektion schafft oft Aggression. Wem folgt man lieber: Der perfekten Maschine oder demjenigen, der auch mal Schwäche zeigen kann und nahbar ist?
Jede Veränderung beginnt mit einer Fokus-Veränderung
Worauf liegt Ihr Fokus – bei Ihnen selbst und bei anderen Menschen? Blicken Sie auf die Stärken oder Schwächen? Was sehen Sie bei ihren Mitmenschen, ihrem Team, ihren Kollegen? Defizite oder Stärken? So, wie Menschen über andere Menschen denken und reden, zeigt viel von der Person selbst. Gibt es Dinge, die Sie an sich ablehnen? Bei mir war es das Tourette-Syndrom. Und bei Ihnen? Hinterfragen Sie: Was ist das Gute daran, was ich aktuell noch nicht sehen kann? Machen Sie sich bewusst:
Andere sind einfach nur anders anders.
Jeder ist besonders – auf seine eigene Art und Weise.
Seit ich anfing, mich selbst in allen Facetten zu akzeptieren und nicht mehr dem Mainstream angehören zu wollen, läuft vieles fast von allein. Es ist eine neue Art der Leichtigkeit – im Business und privat.
Resümee:
Seien Sie verrückt und wunderbar! Durchbrechen Sie alte Muster! Erlauben Sie genau das auch Ihren Mitarbeitern – für eine Business-Welt, die nicht nur glücklicher macht, sondern in der Erfolg mit Leichtigkeit funktioniert. Ein gesundes Selbstwertgefühl ist die Basis. Ich wünsche mir eine Business-Welt, in der Führungskräfte den Mut haben, nahbar zu sein. Eine neue Welt, in der Schwäche zeigen als wahre Stärke gesehen wird. Gerne unterstütze ich Sie dabei, diese neue Business-Welt zu kreieren und zu gestalten.